Felo fuhr sich mit einer kurzen, ruhigen Bewegung durch das volle Haar und seufzte leise. Sie mochte den Unterricht in Wahrsagen wirklich. Wirklich. Aber der Tag war lang gewesen und Wahrsagen lag heute leider im späten Nachmittag – entsprechend wollte ihre Konzentration nicht mehr so, wie sie es wollte. Professorin Celestine hatte derweil alle Schülerinnen dazu aufgefordert, selbstständig zu üben. Vielleicht – nur vielleicht – machte ja die ganze Klasse einen erschöpften Eindruck. Immerhin war Samhain. Lag in der Luft, in der Atmosphäre – alle waren zu dieser Zeit des Jahres nochmal mehr geschäftig als zu anderen Jahreszeiten. Die junge Hexe stützte ihr Kinn nachdenklich auf ihre Handfläche, während sie die Spitze ihres Zeigefingers der anderen Hand über das kalte Glas der Kugel streichen ließ. Es half ja alles nichts. Nur hier herum sitzen und zu warten, dass die Stunde endete wäre vergeudete Zeit und obendrein Zeit, welche sich elendig wie Kaugummi gezogen hätte.
Also richtete sie sich wieder gerade vor ihrer Kristallkugel auf und rückte sich kurz auf ihrem Stuhl zurecht, damit sie ordentlich, aber möglichst gemütlich dasaß. Die Hand, die zuvor von ihrem Kinn vereinnahmt worden war, wanderte nun ebenfalls zur kühlen Oberfläche der Kugel, bevor Felo die Augen schloss, um ihren Fokus zu finden. Ihren Inneren. Sie hatte eine gewisse Affinität für dieses Fach, obwohl sie noch viele Stunden genommen hatte, einfach weil sie ohnehin eine träumerische Persönlichkeit hatte – zumindest fiel ihr Wahrsagen deutlich einfacher als beispielsweise die Flugstunden, auf die sie eben wegen ihres Defizits einen gewissen Fokus gelegt hatte.
War da ein Flattern. Nein. Nein, nein, das musste sie sich eingebildet haben. Sie atmete tief ein und aus, bevor sie die Augen öffnete und in die Kugel blickte, als wollte sie sich in den Tiefen einer von anderen ungesehenen Wahrheit versinken. Schemenhaft entfaltete sich ein Bild vor ihrem inneren Auge, welches mehr und mehr zu allen Seiten erwuchs, viel weiter als eine kleine Kristallkugel überhaupt fassen konnte. Natürlich. Dies hier Magie. Die Kugel war lediglich das Medium, wie der Zauberstab, der einem half, Zaubersprüchen eine Richtung zu geben. Eine Schaukel bildete sich aus den Schemen hervor, schiftete von einer trostlosen Grauschattierung in satte Farben über, bevor auch eine kleine Rutsche sich in den Vordergrund drängte. Der Spielplatz. Dort war sie noch nicht oft gewesen, tatsächlich höchstens vorbeigelaufen, da sie keine Verantwortung für ein Hexenbaby hatte. Noch nicht. Sie wurde sich diese Aufgabe noch fleißig erarbeiten. Jetzt jedoch sah sie eine kleine schwarze Gestalt wimmernd und zitternd an der Stange der Schaukel hängen. Ah.
Wieder vernahm sie ein Flattern. Sie verdrängte diese Wahrnehmung der echten Welt um sie herum, und konzentrierte sich lieber auf ein anderes Gefühl. Irgendetwas sagte ihr – sie nannte es der Einfachheit halber mal Intuition – dass das Fledermäuschen morgen Abend an jenem Ort hängen würde – und sie nahm sich sogleich vor, morgen diesem armen Tierchen den Heimweg zu weisen.
Statt sich jedoch weiter Gedanken über Sachen zu machen, die am nächsten Tag zu erledigen waren, tauchte sie mit einem tiefen Aufatmen aus dieser Sensation wieder auf und blinzelte, als sie bemerkte, dass sich eine Fledermaus kopfüber an ihren Hut gehängt hatte und sie ein wenig treudoof anstarrte. Erneut blinzelte sie, bevor sie ein leises Kichern nicht unterdrücken konnte, vorsichtig die Hand anhob und das Köpfchen des viel zu neugierigen Tieres streichelte. Stelle sich heraus, dass der blinde Passagier eine Vorliebe für Streicheleinheiten hatte. Da Professorin Celestine den Unterricht sowieso gerade für Beendet erklärte, erhob sich Felo langsam und entschied, dass ein kleiner Abstecher zum Turm kein Umweg war, welchen sie heute nicht gehen wollte, weshalb sie sich direkt auf den Weg machte. War vom Klassenzimmer für Wahrsagerei ja auch wirklich nicht weit. Wieder ein Fledermäuschen glücklich nach Hause gebracht.















