Mittsommer – Das Picknick
Ich war gerade dabei, Kairi die erste richtige Windmagie beizubringen – nur eine zarte Brise, nicht mehr als ein Kitzeln auf der Haut – als ein junges Mädchen mit geflochtenem Haar und einem Blumenkranz aufgeregt auf uns zukam.
“Amber, ich benötige deine Hilfe”, rief die junge Frau, noch bevor sie bei uns war. “Bienen, sie sind überall, es ist furchtbar.”
Ich hob eine Augenbraue. “Aber Bienen sind doch wichtig.”
„Ja, aber sie haben den Picknickplatz am See komplett an sich gerissen. Sie setzen sich auf Kuchen, fliegen in Scharen um das Essen und die Kinder und natürlich wurden auch einige Gäste gestochen.”
Ich nickte, während Kairi sich kichernd in eine windige Drehung warf und meine Elfe Marin aufgeregt um sie herum flatterte und in ihren Armen landete. “Na ihr zwei, wollen wir uns das mal ansehen?”, fragte ich die beiden grinsend.
Als wir am Sternensee ankamen, war die Lage…klebrig.
Tische standen verlassen, Decken waren halb eingerollt, in der Luft lag ein süßer Duft nach Honig und ein stetiges Summen, das einem durch Mark und Bein ging. Der Bienenstock hatte sich im Ast einer alten Weide direkt am Ufer eingenistet. Ein wunderschöner Ort, aber leider ein großer Störfaktor für ein friedliches Picknick.
“Die Bienen sind nicht böse”, sagte Marin, die in der Luft kreiselte und die Lage sondierte. “Sie sind auf Nahrungssuche. Hier gibt es so viele Blumen, Obst und natürlich Zucker in den Speisen. Sie fühlen sich einfach eingeladen.”
Ich nickte. “Sie haben das Mittsommerfest durchaus bemerkt.”
Kairi hüpfte neben mir her, kleine magische Funken sprühten aus ihren Fingerspitzen, die sie mir entgegen streckte. Sie lispelte: “Mama? Können wir die Bienen verzaubern? So, dass sie wegfliegen?”
Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. Ich schüttelte den Kopf. “Wir verzaubern niemanden Mausi, aber wir können versuchen, sie umziehen zu lassen, indem wir ihnen einen schöneren Ort zum Wohnen anbieten.”
Ich trat an den Rand des Sees, wo das Summen am stärksten war. Die Luft vibrierte fast vor Energie, eine gute Gelegenheit meine Äthermagie spielen zu lassen. Ich schloss die Augen, legte die Finger auf mein Amulett und murmelte:
“Amarin Marun Mira Mara Arun”
Feuer. Wärme, nicht Hitze. Wasser, Dampf und Tröpfchen. Erde, Wurzeln und Pflanzen. Luft, Klang und Wehen. Ich formte einen kleinen Zauberkreis um den Baum und ließ aus der Luft einen sanften Nebel entstehen voll süßer Aromen, die ein Stück weiter südlich über die Wiesen wehten.
Gleichzeitig ließ Marin mit ihrem Studium der Naturkunde und ihrer Blütenheilung auf der nicht weit entfernten Wiese ein Feld aus Lavendel, Sonnenblumen und Mohn wachsen. Ein magisches Farbenspiel. Düfte, die einen frischen Sommerabend ausmachen.
“Da lang”, flüsterte ich. “Dort gibt es einen besseren Ort. Eine Wiese voller Blumen, ganz für euch allein.”
Kairi lachte und streckte die magischen Händchen aus. Eine Windspirale erhob sich und half den Duft noch weiter zu tragen.
Erst zögerlich, dann immer schneller, folgten die Bienen der magischen Spur.Innerhalb von Minuten wurde es stiller um den See. Die Weide am See war wieder frei und am Horizont glitzerte der wimmelnde Schwarm, tanzend über der neuen Blumenwiese, die Marin ganz wunderbar gelungen war.
Die Menschen kehrten zurück. Decken wurden ausgebreitet, Kuchen angeschnitten, Tee eingeschenkt, diesmal ohne stechende Überraschung. Und am Abend saßen wir drei – Marin, Kairi und ich – selbst auf einer Decke unter der alten Weide und aßen ein paar frische Erdbeeren.
“Glaubst du, die Bienen feiern auch?” fragte Kairi schläfrig und mit rotem Erdbeermund.
Ich sah hinauf zum Himmel, wo der Sonnenuntergang goldene Muster malte. “Ganz bestimmt sogar, sie machen ihr eigenes Picknick.”
Marin und ich tauschten einen Blick und ein Lächeln, während Kairi in meinem Schoß langsam weg nickte.