LUNASTRIA HEXENAKADEMIE

  • Wieder da!
    24 April, 2025||
21 März, 2025| Amber|

10. Stunde Regeln und Gesetze

Nervös streiche ich meinen Rock glatt und richte meine Schleife. Heute besteht meine Abschlussprüfung darin, einen imaginären Gerichtsfall zu meistern. Ich trete vor und verbeuge mich knapp vor dem Tribunal. Mein Blick fällt auf meine Gegenspielerin Miyu, die sich bereits auf ihre Rolle vorbereitet. Dann wende ich mich an Professorin Elvina und die anwesenden Aufsichtshexen.
“Ehrwürdige Richterinnen, Mitschülerinnen. Ich trete heute als Anklägerin auf, um eine Tat zu verhandeln, die, so klein sie auch erscheinen mag, gegen die grundlegenden Prinzipien unserer magischen Gesellschaft verstößt.”

Ich lasse meine Worte kurz im Raum wirken, bevor ich fortfahre.
“Die Angeklagte wird beschuldigt, eine unschuldige Kuchenbäckerin mental verhext zu haben, um kostenlos an ihr köstliches Gebäck zu gelangen. Das mag zunächst wie ein harmloser Streich erscheinen, doch in Wahrheit ist es eine ernste Straftat. Die bewusste Manipulation einer Person durch Magie beraubt sie ihres freien Willens. Die Tat verletzt zudem das Vertrauen zwischen Hexen und Nicht-Magischen und verstößt gegen das grundlegende Verbot, Magie für persönliche Bereicherung auf Kosten anderer einzusetzen.”

Ich trete einen Schritt zurück und erhebe meine Hand. “Stellt euch vor, jemand würde euch verhexen, um euch euer Wissen, euer Geld, euer Hab und Gut oder die Früchte eurer hart erlernten Fähigkeiten zu stehlen. Würdet ihr es als harmlosen Spaß betrachten?” Ich lege eine kurze Kunstpause ein und lasse meine Worte sacken.

“Die Gesetze sind eindeutig”, setze ich fort. “Gemäß Paragraph 17 des Hexenkodex ist jegliche Manipulation von Personen durch Zauber, wenn sie nicht aus Notwehr oder mit ausdrücklicher Zustimmung erfolgt, strengstens verboten. Unsere Angeklagte wusste das und dennoch hat sie ihre Magie eingesetzt, um sich einen unfairen Vorteil zu verschaffen.”

Meine Gegenspielerin tritt vor und beginnt ihre Verteidigung. Sie argumentiert, dass die Angeklagte die Bäckerin lediglich ein wenig “freundlicher” gestimmt habe, da sie zum Zeitpunkt des Diebstahls knapp bei Kasse war. Dass der Zauber keinen Schaden angerichtet habe und dass sie auch bereit sei, für das Gebäck nachträglich zu bezahlen. Eine kluge Verteidigung, doch ich lasse mich nicht beirren.

“Armut rechtfertigt nicht den Einsatz von Magie und gute Absicht entbindet nicht von Schuld”, erwidere ich fest. “Wenn wir zulassen, dass solche Manipulationen ohne Konsequenzen bleiben, öffnen wir Tür und Tor für viel schlimmere Taten. Heute ist es ein Gebäck, morgen vielleicht eine Medizin, die einem Anderen hätte helfen sollen oder ein Richter, der durch einen Zauber falsche Urteile spricht. Wo ist die Grenze?” Mein Plädoyer ist beendet.

Schließlich zieht sich das Tribunal zur Beratung zurück. Ich kann fühlen, wie die Spannung im Raum greifbar wird. Dann tritt Professorin Elvina nach vorne.

“Nach sorgfältiger Prüfung der Argumente kommen wir zu folgendem Urteil: Die Angeklagte wird schuldig gesprochen. Da es sich um ein geringfügiges Vergehen handelt und sie keinen bleibenden Schaden verursacht hat, wird sie dazu verpflichtet, der Bäckerin den doppelten Wert des entwendeten Gebäcks zu zahlen und sich offiziell zu entschuldigen. Zudem muss sie einen Monat lang gemeinnützige Arbeit in der magischen Bibliothek leisten, um sich mit den Gesetzen und Regeln erneut auseinanderzusetzen und zu verinnerlichen.”

Ich spüre, wie eine Welle der Zufriedenheit durch mich hindurch strömt. Nicht aus Schadenfreude, sondern weil ich meine Argumente klar und überzeugend dargelegt habe und weil Gerechtigkeit gesiegt hat.