08. Stunde Heilungszauber
Ich konnte kaum still sitzen vor Aufregung, als ich am frühen Morgen meine Uniform anzog, mein neuer Rock mit den funkelnden Stickereien am Saum, die im Sonnenlicht funkelten wie kleine Sterne. Heute war es soweit: Mein erster Tag im Krankenflügel der Akademie!
“Marin, wach auf”, flüsterte ich und stupste vorsichtig meine kleine Elfe an, die in einer winzigen Hängematte aus Rosenblättern schlummerte. Sie rieb sich die Augen, flatterte verschlafen hoch und landete auf meiner Schulter. “Bist du bereit Krankenschwester zu sein?“, fragte ich sie kichernd.
“Natürlich”, antwortete sie fröhlich. “Hoffentlich können wir helfen.”
Der Krankenflügel war größer als ich ihn mir vorgestellt hatte. Reihen von Betten, leise Stimmen, das Klirren von Phiolen, das Rascheln von Leinen. Einige meiner Mitschülerinnen eilten bereits mit Salben und Tränken durch die Gänge, während andere geduldig neben Patienten saßen, ihnen leise Geschichten erzählten oder ihre Hände hielten. Offenbar waren hier nicht nur Schüler in Behandlung.
Ich trat an die Empfangstheke. Eine ältere Hexe mit silbernem Haar, das in einem dicken Knoten aufgesteckt war, blickte auf. “Ah, du bist die Kristallmagierin. Schön, dass du da bist. Wir könnten jemanden wie dich heute wirklich brauchen. Reihe Acht braucht Beruhigung. Ein kleiner Junge mit Fieber und Alpträumen. Glaubst du, du kannst helfen?”
Ich nickte sofort. Marin schwebte bereits voraus.
In Reihe Acht lag ein Junge von vielleicht acht Jahren, das Gesicht vor Hitze gerötet, die Stirn voller Schweiß. Er wimmerte leise im Schlaf, drehte sich unruhig hin und her.
Ich trat näher ans Bett, legte meine Hände auf die seinen und flüsterte meinen Zauberspruch:
“Amarin Marun Mira Mara Arun”
Aus meinen Händen stieg ein feiner, süß duftender Nebel in die Luft, der sich wie eine sanfte Decke über den Raum legte. Der Junge hörte auf zu wimmern. Ich sah, wie seine Züge sich entspannten, wie seine Atmung ruhiger wurde.
Marin sauste flink über ihn hinweg und ließ kleine Lichtfunken aus ihren Fingern tanzen. Sie setzte sich an sein Kissen und begann eine beruhigende Melodie zu summen. Ich strich ihm übers Haar, er erinnerte mich an meinen kleinen Bruder. Mein Herz wurde ganz warm.
So verbrachte ich den Rest des Tages. Ich ließ Nebel aus Zucker über schmerzende Seelen gleiten, schenkte süße Träume und linderte Fieberträume mit meinem Kristallzauber. Marin war mir stets zur Seite, manchmal brachte sie Kräuter, manchmal summte sie Heilgesänge.
Als die Sonne unterging, glitzerten meine Kristalle noch immer auf der Station, wie kleine Sterne, die für einen Moment in den Krankenzimmern verweilten. Es war eine erdende Erfahrung, Leid und Schmerz so direkt zu erleben, doch ich war mir sicher, ich konnte heute von Nutzen sein.