Der Häschenmond war endlich da und ich war schon den ganzen Tag über aufgeregt. Mitten auf der großen Wiese, umgeben von funkelnden Laternen und zufriedenen Hexen, stand ich mit meinem magischen Beutel bereit. Ich hatte von frühmorgens bis zum Nachmittag an ihm gearbeitet: Genäht aus besonders weichen Blütenblättern, war er gemütlich genug, dass sich jedes Wesen darin wohlfühlen würde.
„Also gut, Nyx“, murmelte ich ermutigend zu mir selbst, „Heute ist es soweit. Dieses Jahr schnapp ich mir einen Wolpertinger!“
Voller Vorfreude zog ich meine sorgsam vorbereitete Mondkerze hervor. Sie sah wirklich hübsch aus, gefertigt aus milchweißem Wachs, das silbern im Mondschein schimmerte. Ein einzelner Docht ragte heraus, wartend darauf entzündet zu werden. Ich hob sie hoch, blickte kurz hinauf zum Mond und zündete den Faden zum Beginn des Rituals.
Das Kerzenlicht flammte strahlend sacht auf und verströmte einen lieblich-zuckrigen Duft, der sich sofort in alle Richtungen ausbreitete. Ich wartete geduldig. In der Ferne sah ich bereits die ersten neugierigen Wolpertinger umherhuschen: mit ihren fluffigen Hasenohren, den winzigen Geweihen und den verschmitzten Augen waren sie wirklich bezaubernd. Gleichzeitig aber auch unglaublich flink.
Als sich einer der flauschigen Gesellen näherwagte, griff ich in meine Tasche und zog das kleine Fläschchen mit verzaubertem Mondsalz hervor. Ich streute vorsichtig einen feinen Kreis daraus auf den moosigen Boden, während ich leise summte:
„Salzkreis klar, voll Mondesmacht,
Bring Bewegung sanft zur Rast.
Mach ihn träge, nicht verletzt,
Bis er ruhig sich nieder setzt.
Infini vague a l’ame!“
Die glitzernden Salzkristalle begannen sogleich zu funkeln und verbreiteten ein mattes Leuchten. Der Wolpertinger näherte sich neugierig meiner Kerze, wurde dabei aber von meiner Salzbarriere erfasst. Irritiert hielt er inne und blickte sich hastig um; seine Bewegungen wurden ruhiger, beinahe genug um einzuschlafen.
„Fast geschafft!“, flüsterte ich aufgeregt und schlich näher heran. Ich öffnete den weichen, blütensamtigen Sack und hielt ihn hinter meinem Rücken bereit. Langsam streckte ich die andere Hand aus, das Licht meiner Kerze lockte den kleinen Wolpertinger immer näher zu mir. Er schnupperte erwartungsvoll, sein flauschiges Fell glänzte im silbernen Licht des Mondes. Gerade als er wieder loshüpfen wollte, stark verlangsamt dank meines magischen Salzkreises, machte ich einen großen Schritt auf ihn zu. Vorsichtig legte ich den Beutel über das verdutzte Tierchen und zog die Schnur schnell zusammen.
„Hab dich!“, rief ich triumphierend, während sich das Wesen im Inneren des Sackes zappelig bewegte. Ich hielt den Beutel vorsichtig hoch und betrachtete stolz meinen Fang. „Keine Angst, Kleiner. Nach der Untersuchung darfst du sofort wieder hüpfen.“
Der Wolpertinger beruhigte sich etwas, vermutlich weil der Blumensack so herrlich kuschelig und angenehm duftend war. Zufrieden setzte ich mich ins Gras und atmete erleichtert aus. Mein Blick wanderte zu den anderen Hexen, die entweder verspielt tanzten, zauberten, oder sich schon an ihren Picknickdecken versammelt hatten. Ein schöneres Fest konnte ich mir nicht vorstellen.