Als ich die Heilräume des Schlosses betrat, lies ich meinen Blick schweifen. Überall wimmelte es bereits von Hexen und Heilern, die hektisch durch die Gänge eilten. Ein leises Summen der Magie lag in der Luft, verwoben mit dem Duft von Kräutern, Heiltränken und frischen Blüten. Neben mir flatterte Jinx sanft, ihre kleinen Flügel schimmerten in der grellen Raumbeleuchtung. Heute war unsere letzte Heilungsprüfung, und mein Herz klopfte bei dem Gedanken, endlich mein volles Können unter Beweis stellen zu dürfen.
Ein älterer Heiler namens Magnus trat freundlich lächelnd auf mich zu und deutete in den Raum hinein. „Willkommen, Nyx! Wir haben heute viel zu tun, und ich bin froh, dass du hier bist. Hier entlang, bitte.“
Ich nickte aufgeregt und folgte ihm zu unserem ersten Patienten.
Die erste, die dringend unsere Hilfe benötigte, war eine ältere Hexe namens Agatha. Sanft lag sie auf ihrem Krankenbett, doch der Schmerz ließ ihre sonst so liebevollen Augen trüb erscheinen. Ihr Bein war sichtbar gebrochen und sie atmete angespannt, während sie versuchte, ruhig zu bleiben.
„Ich bin froh, dass du hier bist, Liebes“, hauchte sie erschöpft, als ich mich sanft an ihre Seite setzte. „Der Flug war leider nicht gnädig mit mir.“
„Keine Sorge, Agatha“, versprach ich beruhigend und tauschte einen warmen Blick mit Jinx. „Wir werden alles wieder gutmachen.“
Zuerst reichte ich Agatha einen milden Schmerztrank aus Mondmelisse, der sofort ihre Gesichtszüge entspannte. Dann konzentrierte ich mich auf ihren Bruch. Ich umschloss meinen Zauberstab, setzte die Spitze vorsichtig auf die verletzte Stelle und murmelte einen warmen, heilsamen Zauberspruch:
„Scherben werden eins erneut,
Schmerzen lösen sich noch heut’.
Werde wieder fest und ganz,
Vollziehe mit mir den Heilungstanz.
Infini vague a l’ame!“
Das heilende Licht wanderte tief in ihr Bein und schuf eine unsichtbare, schützende Schiene um den Bruch herum. Gleichzeitig massierte Jinx liebevoll eine wiederherstellende Salbe aus Arnika und Lavendel auf Agathas Haut, die die Regeneration der Knochen beschleunigte und ihr zusätzlich Linderung brachte.
Nach kurzer Zeit atmete Agatha ruhiger, ihr Bein sah schon besser aus und ein glückliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Vielen Dank, meine Liebsten“, sagte sie warm und drückte dankbar meine Hand. „Viel schonen und hochlegen, das wird wieder!“, erwiderte ich mit einem Lächeln, ehe wir uns zum nächsten Patienten aufmachten.
Es war ein junger Zauberer namens Orion. Er saß erschöpft und sichtlich gequält auf seiner Liege, die Haut von Verbrennungen gezeichnet, die er sich an den magischen Feuerfallen zugezogen hatte.
„Orion, ich bin Nyx“, stellte ich mich sanft vor und gab ihm einen beruhigenden Blick, der ihm signalisierte, dass alles bald besser würde. Er nickte erleichtert.
Ich nahm ein paar vorbereitete Umschläge zur Hand, die ich sorgsam in Sternenwasser getränkt und mit kühlenden Kräutern wie Minze und Aloe Vera angereichert hatte. Vorsichtig legte ich sie auf Orions Haut, woraufhin er erleichtert seufzte.
Anschließend erhob ich wieder meinen Zauberstab und sang behutsam meinen zweiten Heilzauber:
„Sanfte Kühle bringt nun Frieden,
Jede Qual sei schnell vertrieben.
Wärmend nur, doch ohne Leid,
Dass Gesundheit hier gedeiht
Infini vague a l’ame!“
Die Wellen meiner Magie ergossen sich wie zarte Seide über die verletzte Haut, kühlten die Hitze und ließen die Verbrennungen langsam verblassen. Jinx flog zusätzlich um Orion herum und verstreute ihren zauberhaften Blütenstaub, dessen beruhigende Wirkung Orions Anspannung und Schmerzen linderte.
Als Orion sich zurücklehnte, entspannter und bereits deutlich gesünder, lächelte ich ihn an. „Ruhe dich jetzt noch aus, Orion. Deine Haut braucht etwas Zeit, aber bald fühlst du dich wieder ganz wohl.“
Nun erwartete uns noch ein letzter, besonders schwieriger Fall. Magnus führte uns zu einer jungen Hexe namens Seraphine, deren Gesicht blass und kraftlos aussah. Sie lag bewusstlos auf ihrem Bett, nachdem sie durch einen Magieschock im Moorgebiet gestürzt war.
„Oh je, Seraphine…“, flüsterte Jinx voller Mitgefühl und setzte sich zärtlich auf ihre Hand.
Ich betrachtete sie besorgt und überlegte. In diesem Zustand konnte ich ihr schwer einen Trank verabreichen. Somit fiel der Vitalitätstrank weg… aber vielleicht etwas, das ich in Tropfen zuführen konnte?
So entschied ich mich für eine stärkende Tinktur aus wilden Waldbeeren und Honig, die ich vorsichtig auf Seraphines Lippen träufelte, während Jinx behutsam ihren Blütenstaub über ihr Gesicht verteilte. Schließlich hob ich meine Hände und sang meinen dritten Heilzauber:
„Kraft und Wärme, kehrt zurück,
Schenkt der Seele verlor’nes Glück.
Hilf, dass Geist und Herz erwachen,
Neu gestärkt um Licht zu machen.
Infini vague a l’ame!“
Das pulsierende Licht, rosafarben und klar wie Morgentau, strömte aus meinem Stab und umhüllte Seraphines geschwächten Körper. Es brachte Farbe und Wärme zurück in ihre Wangen und ihre Atmung wurde gleichmäßiger. Schließlich öffnete sie langsam ihre Augen und unsere Blicke trafen sich.
„Wo… bin ich?“, hauchte sie.
„In den Heilräumen des Schlosses Astraea“, erwiderte ich sanft, drückte ihre Hand und spürte, wie Erleichterung mein Herz erfüllte. „Alles wird wieder gut.“
Jinx quiekte glücklich und flog einen kleinen Freudentanz um uns herum, während Seraphine entspannt zurücksank und langsam in einen wohligen, heilsamen Schlaf glitt.
Magnus trat hinter mich und legte stolz eine Hand auf meine Schulter. „Fantastische Leistung, Nyx.“
Trotz der schweren Arbeit fühlte ich mich zufrieden, während ich lächelnd mit Jinx den Raum verließ. Der Tag neigte sich langsam seinem Ende zu, und als ich draußen stand und den goldenen Sonnenuntergang betrachtete, wusste ich, dass ich genau hierhin gehörte.