Nachdem ich in der letzten Stunde endlich die Blütenmagie näher kennengelernt habe, steht mir heute die erste Prüfung im Fach Hexerei und Magie bevor. Ich bin schon etwas aufgeregt und … wenn ich ehrlich bin, habe ich beim Frühstück heute Morgen nicht viel verdrücken können. Nervös schaue ich mich um und betrachte die Gesichter der anderen Schüler*innen. Einige sind angespannt, andere starren gebannt auf ihre Notizen, wieder andere witzeln herum. Gerade, als meine Gedanken mich in Sorgen ertränken wollen, berührt mich Elisas kleine Hand. Voller Zuversicht blickt sie mich an und sagt:“ Wir schaffen das!“ Auch wenn Elisa bisher nur einige Phrasen sagen kann und wir keine kompletten Gespräche führen können, kann ich ihre Absichten doch verstehen. Wir haben uns die letzten Tage oft zusammen in Magie geübt und sie war alle Notizen, die ich mir zu Hexerei und Magie gemacht hatte, zusammen durchgegangen. Bestimmt werden wir auch diese Prüfung gemeinsam bestehen!

Als Elisa sich auf meiner Schulter niederlässt, betritt Professorin Estrella den Raum. Sie erläutert uns die Aufgabe für die heutige Prüfung. Einerseits bin ich erleichtert, dass es keine schriftliche Prüfung ist … andererseits klingt die Aufgabe alles andere als einfach! „Für eure Prüfung müsst ihr den euch zugeteilten, magischen Gegenstand auf dem Schulgelände finden. Dabei kann sich der Gegenstand überall auf dem Schulgelände befinden – vom Keller bis hin zu den Gärten, in der Bibliothek oder in Klassenräumen – ihr dürft und müsst euren Gegenstand überall suchen. Magische Gegenstände haben eigene magische Signaturen und Eigenschaften. Darüber solltet ihr mit eurem jetzigen Wissen in Hexerei und Magie in der Lage sein, euren Gegenstand zu finden. Ihr dürft alle gelernten Zauber anwenden. Bitte kommt nun nacheinander nach vorne. Ich werde euch euren Gegenstand zuweisen“, erklärt Professorin Estrella ausführlich und die ersten Schüler*innen stehen auf und stellen sich in einer Reihe auf. 

Bis ich an der Reihe bin dauert es, da ich weit hinten sitze, aber endlich stehe auch ich vor Professorin Estrella und blicke sie erwartungsvoll an. „Ah, Iris. Sehr schön. Du sollst eine magische Kristallkette finden. Wir haben schon einmal im Unterricht über sie gesprochen – versuch dich an alles zu erinnern und finde sie mit deinem Wissen und den erlernten Zaubersprüchen!“ Ich nicke und gehe mit Elisa auf der Schulter aus dem Klassenraum. 

Wo soll ich bloß beginnen? Die magische Kristallkette … hm, was hatte ich alles darüber gelernt? Angestrengt versuchte ich das Bild der Kette vor meinem Inneren Auge zu beschwören, doch es gelang mir einfach nicht. Dann spürte ich Elisas Hand auf meiner Wange. „Lila“, sagt sie knapp und nickt mir zu. Lila! Genau, die Kette hat einen lila Stein. Während ich noch weiter über die Eigenschaften der Kette nachgrübele habe ich mich schon ein ordentliches Stück von den Klassenräumen entfernt. „Ich sollte hier strategischer drangehen“, flüstere ich ein wenig zu mir selbst, aber auch um Elisa meine Gedanken mitzuteilen. „Was habe ich bisher an Zaubern gelernt, was mir hier weiterhelfen kann. Das Bewegen von Gegenständen? Nein, eher nicht. Oh, vielleicht kann ich die Kette zu mir rufen!“ Ich stelle mir die Kette vor meinem inneren Auge vor und rufe: „Komm her Kristallkette, La Le Lilium!“ Ich spüre, wie etwas Mana meinen Körper verlässt doch … nichts passiert. Die Kette taucht nicht auf. Stimmt, dieser Zauberspruch funktioniert nur bei direktem Sichtkontakt. Elisa schaut mich mit großen Augen an. „Rückwärts!“, sagt sie aufgeregt. 

Rückwärts? Rückwärts! Genau, ich sollte es anders herum versuchen. Nicht die Kette kommt zu mir, sondern ich muss ja die Kette finden! „Du bist so schlau, Elisa!“, freue ich mich und stupse sie liebevoll mit meinem Finger an. Welcher Zauberspruch würde sich dafür eignen? Vielleicht die magische Spurensuche. Vorsichtig schwinge ich meinen Zauberstab mit den erforderlichen Handbewegungen, denke fest an die magische Kette und sage: „Zeig mir deine Spur, La Le Lilium!“ Ich blinzele kurz und nach einiger Zeit erscheinen glitzernde Partikel vor mir. Ich grinse Elisa strahlend an. „Es hat geklappt!“ Elisa lächelt ebenfalls und gemeinsam machen wir uns auf den Weg. Die zarte magische Spur führt uns weiter von den Klassenräumen wen, an der Bibliothek vorbei und durch Flure, die ich bisher noch nicht betreten habe. Schließlich stehen wir vor einer Treppe, die in den Keller führt. Hier werden Zaubertränke hergestellt soweit ich weiß, doch da ich bisher noch keinen Unterricht in der Herstellung von Zaubertränken hatte, bin ich noch nie hier gewesen. Langsam gehen wir die Treppe herunter und gehen vorbei an geschlossenen Türen, hinter denen teilweise ein reges Treiben herrscht. Die glitzernde Spur führt uns in einen Lagerraum, wo nur ungefährliche Stoffe für die Trankherstellung gelagert werden. Und da, neben einem der Fässer, sehe ich ein lila Funkeln. Die Partikel sind dort besonders dicht – das muss die Kette sein! Ich hebe die Kette auf und bestaune sie. Der lila Kristall sieht wirklich hübsch aus. Die Kette ist insgesamt ein wenig anders, als ich sie in Erinnerung hatte, aber der Zauberspruch war immerhin erfolgreich. Wer hätte gedacht, dass die Kette in den Kellerräumen der Akademie zu finden ist! Von alleine wäre ich sicher nie auf die Idee gekommen, hier zu suchen. Zum Glück hatte ich in den letzten Tagen so viel mit Elisa geübt, denn die Handbewegungen für die Zaubersprüche sind wirklich nicht ohne – und ohne Zauberspruch hätten wir lange suchen können. 

„Wir haben es wirklich geschafft, Elisa“, flüstere ich und wir grinsen uns gegenseitig an. „Los, zeigen wir die Kette Professorin Estrella!“