Es war die Nacht des Häschenmondes – jenes Mondes im Frühling, bei dem die Wälder wispern, die Luft nach Kräutern duftet und selbst die verborgensten Kreaturen aus ihren Verstecken krochen. Für viele war es ein Fest der Freude, des Tanzes und der Geschichten am Feuer. Für mich: eine selbst auferlegte Prüfung.
Ich hatte von ihnen Gehört, und genauso um den Brauch in diesen schönen Nächten. Man konnte einen echten Wolpertinger fangen – ein scheues, listiges Wesen mit Hasenpfoten, Geweih, Flügeln und einer Neigung, unerfahrene Hexen zu narren. Ein Wesen, das sich nur in der Nacht des Häschenmondes zeigen würde.
Mit meiner Umhängetasche voller Zutaten und Kreide machte ich mich auf den Weg in den nächtlichen Wald. Die Äste flüsterten, Krähen sahen mich von oben mit klugen Augen an, und zwischen den Wurzeln der alten Eichen glimmten Irrlichter.
Nach einer Weile fand ich eine moosbedeckte Lichtung, auf der das Mondlicht wie silbriger Staub lag. Hier sollte es geschehen. Ich kniete nieder, und zog mit ruhiger Hand den Bannkreis aus weißer Kreide auf den Boden – ein präziser Kreis mit fünf Spitzen, in dessen Mitte ich die alten Runen schrieb. Jede Rune stand für ein Element: Erde, Luft, Feuer, Wasser und Geist.
Dann flüsterte ich meine Beschwörungsformel, während der Wind um mich Kreiste. „Oppo Oppo! Führe zu mir den Wolpertinger und fange ihn ein.“
Die Kreideschrift begann zu glimmen, und der Bannkreis erwachte zum Leben. Die Runen pulsierten in sanftem Licht, und die Luft roch plötzlich nach Eisen und Lavendel – ein Zeichen, dass Magie am Werk war!
Dann… ein Rascheln im Gebüsch. Ein leiser Laut wie das Kichern eines Kindes. Oder doch eines Hasens? Da war er!
Der Wolpertinger hüpfte aus dem Schatten – klein, flink, mit funkelnden Augen und einem Geweih, das mit Moos und kleinen Blüten geschmückt war. Seine Flügel zuckten leicht, und ein spöttisches Grinsen zierte sein felliges Gesicht. Vielleicht dachte er, mein Bannkreis könnte ihn nicht stoppen. Oder er erkannte ihn nicht und wollte mich einfach etwas aufziehen, als er Haken schlagend auf mich zu flizte. Und gerade als er bei mir war, die Pfötchen im Bannkreis, trat ich einen Schritt zurück und meine Magie schnappte zu.
Der Wolpertinger jaulte, doch der Kreis hielt. Er rannte, flog, versuchte zu fliehen! – doch meine Runen waren stark genug!
Ich sah ihn an, ehrfürchtig vor diesem so besonderen Wesen. Ich hatte es vollbracht! Ich hatte tatsächlich einen Wolpertinger gefangen!
Doch so ein Wundervolles Tierwesen gehörte nicht gefangen. Ich hatte kein recht, ihn hier länger festzuhalten.
Also ließ ich den Bannkreis wieder ruhen. Die Runen glimmten schwächer, bis sie erloschen – und der Wolpertinger, der mich fast mit einer Art Anerkennung in den Augen musterte, verschwand wie Nebel im ersten Licht. Zurück ließ er kleines, silbrig im Mondlicht glitzerndes Büschelchen Haar, daneben ein hübsches Federchen. Mein Beweis für meinen Erfolg!
Damit kehrte ich zurück zum Fest, den Geruch von Moos und Magie in meinem Haar und stolz in den Augen…