LUNASTRIA HEXENAKADEMIE
Heute stand meine nächste große Prüfung an, für die ich meine Kristallkugel den Abend zuvor noch einmal extra gründlich poliert hatte. Bei einer sauberen Kugel konnten mich keine Staubkörner ablenken und das Bild wäre sicherlich deutlicher. Natürlich wusste ich rational, dass es an meinen Fähigkeiten lag wie klar die Bilder waren und nicht an der Sauberkeit der Kugel, aber schaden würde es sicher nicht. Nur um ganz sicher zu gehen, hatte ich mir auch noch einmal einen Linias Folus gebraut und vor dem Unterricht getrunken.
Mit geschlossenen Augen atmete ich einmal tief durch, fuhr mit dem Daumen über meine Halskette, sammelte all meine Konzentration und schaute dann in meine Kristallkugel.
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Der Himmel war noch dunkel, als der große Uhu aus seinem Baum flog und durch den Wald glitt. Mit einem geschickten Sturzflug sicherte er sich seine erste Mahlzeit und flog zielsicher weiter. Den umliegenden Bäumen nach war es sehr windstill. Es dauerte nicht lange, da waren immer mehr Eulen, kleine und große, am Himmel zu sehen. Alle flogen sie zu einem großen Gebäude, oder kamen gerade mit einer schicken Umhängetasche aus diesem heraus.
Der Uhu flog zielsicher durch ein bestimmtes rundes Fenster und landete auf einer Stange. Vor dieser stand schon eine Hexe mit schwarz gelocktem Haar und feinen Sommersprossen, die sogleich eine der schicken Umhängetaschen für ihn parat hatte, ihm zum Abschied ein paar Samen gab und sanft über den Kopf streichelte, ehe er wieder hinaus flog um die Post im Inneren der Tasche zu ihren Empfängern zu bringen.
Wie geschickt er durch die Lüfte flog sah wunderschön aus. Und auf magische Art und Weise, ohne zuerst auf die Briefe zu schauen, wusste der Uhu genau wohin die Briefe mussten, landete nach und nach auf Fenstersims und Zäunen und lieferte fleißig die Post aus. Hier und dort bekam er ein paar Leckereien oder Streicheleinheiten, welche das gefiederte Wesen nur zu gern in Empfang nahm. Mir war nicht bewusst wie viele Briefe Posteulen täglich so austrugen und wie schnell sie dabei tatsächlich waren.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als der Uhu über weite Felder flog, die Umhängetasche scheinbar schon beinahe leer. So wie der Kurier sich umsah, schien er wieder noch etwas zu Essen Ausschau zu halten und setzte dann zum Sturzflug an. Sein Ziel galt einer Katze, die in einen reißenden Fluss gefallen war. Ohne Hilfe kam die Samtpfote nicht mehr heraus.
Zu meinem Überraschen glitt der große Vogel unter die Ertrinkende und holte sie heldenhaft heraus. Trotz allem fürchtete die Katze den großen Uhu, versteckte sich sogleich in einem Busch und fauchte ihren Retter unfairerweise an. Den Uhu schien dies jedoch wenig zu interessieren, denn dieser wand sich einfach ab, plusterte sich auf um sein Gefieder zu trocknen und badete im warmen Sonnenlicht.
Auf einmal stellten sich die „Öhrchen“ erschrocken auf. Der Uhu fuhr hektisch mit dem Schabel in seine Tasche, prüfte den Inhalt und beruhigte sich gleich darauf allerdings wieder. Zum Glück war mit den Briefen wohl alles in Ordnung. Aber so schnell wie die Posteule wieder aus dem Wasser geschossen kam, wunderte mich nicht, dass die Nässe nicht bis in das Innere der Tasche vorgedrungen war. Die Katze in ihrem Busch hatte sich derweil etwas beruhigt und putzte sich das Fell, kam allerdings weiterhin keinen Schritt auf den (für sie immer noch viel zu großen) Uhu zu.
Es verging eine ganze Weile, der Fluss rauschte unschuldig neben den beiden Tieren, die sich einander nicht näherten und beide auf ihre Art versuchten sich wieder zu trocknen. Ohne ersichtlichen Auslöser tapste der Uhu etwas umher und hob dann schließlich wieder ab um seine Route zu vollenden. Erst als der gefiederte Briefträger schon hoch am Himmel flog, hörte die misstrauische Katze auf sich zu putzen und traute sich aus dem Busch. Ein Danke bekam er von dem errettetem Vierbeiner wohl nicht.
Auch die letzten beiden Briefe waren geschickt und problemlos ausgeliefert, sodass der Uhu seinem verdienten Feierabend entgegenflog, die Sonne weiterhin hoch am Himmel. Sein Ziel entpuppte sich als das gleiche Gebäude, an dem er auch die Brieftasche erhalten hatte.
Dort nahm ihm die gleiche Hexe eben jene Tasche wieder ab und setzte ihm eine Schale mit Essen vor, nachdem er erst einmal ausgiebig gekrault wurde. Das gleiche Bild konnte ich auch mit anderen Eulen und anderen Hexen im Hintergrund beobachten. Es sah sehr niedlich aus, wie sehr sich die fleißigen Postboten über ihre Streicheleinheiten freuten.
Unser Uhu flog nach seinem Essen wieder in den Wald, sonnte sich in der Nachmittagssonne und ließ es sich gut gehen. So verlief der Rest des Tages ohne Vorkommnisse, bis die große Eule sich wieder schlafen legte.
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Vom Alltag einer Posteule wurde ich definitiv nicht enttäuscht. Es war so faszinierend dem gefiedertem Wesen bei seinem Tagesablauf zu begleiten, sodass ich die Zeit ganz vergaß und auch das Aufpassen fiel mir so gar nicht schwer.
Für das nächste Mal, wenn ich eine der Eulen sehe und vielleicht sogar meinen Uhu aus der Kugel, möchte ich unbedingt ein paar Leckereien für die fleißigen Postboten parat haben ~