LUNASTRIA HEXENAKADEMIE

  • Der Winter kommt
    15 November, 2025||
19 November, 2025| Claire|

Der Morgen nach jener Nacht war anders.
Lillith fühlte es, noch bevor sie die Augen öffnete, ein leises Pochen unter ihrer Haut, als würde etwas in ihr zum ersten Mal wirklich wach sein.
In der Halle der Erziehung fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Ihre Lehrmeisterin sprach über uralte Magierfamilien, doch die Worte perlten an ihr ab wie Wassertropfen an Glas.
In ihrem Innern rauschte der Wind des Waldes weiter, der Duft von Moos und Regen, das ferne Wispern, das sie gehört hatte.

Als die Dunkelheit erneut über das Anwesen fiel, wusste sie, dass sie wieder hinaus musste.
Nicht nur aus Neugier sondern auch, weil etwas sie rief.

Diesmal nahm sie einen kleinen Umhang mit, aus grobem Leinen, und schlich durch die verborgene Tür in der Ostgalerie hinaus. Der Wald empfing sie wie ein alter Freund. Heute begann sie einen kleinen Hügel zu erklimmen. Es war still, so still, dass sie ihren Herzschlag hören konnte. Dort angekommen geriet sie in ein verzücktes Staunen. Denn der Anblick der sich ihr erschloss war wunderschön für ihren Geschmack. Vor ihr zeichnete sich der offene Sternen Himmel klar und funkelnd. Das Licht reflektierte sich von den Weißen Blumen die sich über die Lichtung ergossen.

Etwas erschöpft setzt Lillith sich in die Mitte der Wiese. Sie starrt in den Himmel und fühlt sich freier als sonst. Entspannt legt sie sich in das Blumen Meer und bestaunt den Sternenhimmel. So verzaubert von dem Anblick schloss Lillith ihre Augen und fällte in einen ruhigen schlaf. 

Obwohl die Nacht noch nicht vorbei war, erwachte Lillith mit den Gefühl beobachtet zu werden. Sie öffnete ängstlich ihre Augen. In ihr passte ihr Herz aus angst das die Ältesten oder andere sie gefunden hätten. Doch das Gefühl der Augen die sie beobachteten fühlte sich nicht bösartig an. Lillith drehte sich vorsichtig herum und suchte den Waldrand nach den Augen ab die sie so fesselnd beobachteten. Da funkelte es an einer Stelle zwischen den Bäumen stand eine Gestalt.

Menschlich und doch nicht ganz. Lillith hielt den Atem an. Sein Haar schimmerte im Mondlicht in einem warmen Hellen Braun mit goldenem Glanz, und auf seiner Stirn zeichneten sich zwei Hörner ab. Seine Augen waren tief, ein mattes Grau Lila, das in der Dunkelheit wie von innen leuchtete.

„Du solltest hier nicht so schlafen, Mädchen“, sagte er mit einer tiefen, festen Stimme, die in der Stille des Waldes nachhallte.
Lillith zuckte zusammen. „Ich… ich wollte gar nicht schlafen“, brachte sie hervor, obwohl ihre Stimme zittrig klang. „Ich wollte nur den Sternen zusehen.“ 

Ein leises Schmunzeln huschte über seine Lippen. „Dann bist du wohl sehr erschöpft gewesen. Die meisten kommen in den Wald, um sich zu verstecken, nicht um hinauf zuschauen oder zu schlafen.“

Sie musterte ihn vorsichtig. „Was bist du? Ich meine… du siehst nicht aus wie ein Mensch.“

„Ich bin ein Drache“, antwortete er schlicht. „Und du? Du riechst nach alter Magie und kaltem Stein. Du bist also eine von den Vampiren dort drüben?“ Und deutet in die Richtung in das Anwesen liegt.

Lillith erstarrte. Niemand hatte je über das Anwesen gesprochen, wirklich niemand außerhalb ihrer Familie sollte überhaupt wissen, dass es existierte. „Woher… weißt du das?“

„Man riecht es. Eure Mauern tragen den Geruch von altem Blut und gebändigter Magie. Er haftet an euch, wie Staub am Licht.“

Sie wich einen Schritt zurück. „Dann weißt du auch, was ihr über uns sagt.“

Er hob eine Augenbraue. „Ich weiß, was die Menschen erzählen. Und was man glauben soll. Aber ich glaube lieber, was ich sehe.“
Sein Blick wurde weicher. „Und ich sehe jemanden, der versucht, zu atmen.“

Lillith wollte antworten, doch ihre Kehle war trocken. Sie wusste nicht, ob sie Angst hatte oder fasziniert war.
Etwas an ihm war fremd und aufregend aber nicht gefährlich, eher wie der Wind, der über den Wald strich.

„Wie heißt du?“ fragte er schließlich.

„Lillith“, antwortete sie leise. „Lillith Micantia. Aber Lillith reicht auch.“

Er nickte. „Ich bin Damien.“
Seine Stimme war ruhig, fast freundlich. „Und du solltest wissen, dass es in diesen Wäldern mehr gibt, als deine Familie dich glauben lässt. Wenn du weitergehst, wirst du Dinge sehen, die du nicht vergessen kannst.“

„Dann ist das gut“, sagte sie. „Ich will nicht vergessen. Ich will endlich sehen, lernen alles erleben.“

Damien sah sie überrascht an, dann lachte er leise. „Du bist mutiger, als ich dachte.“

In dieser Nacht sprach sie noch lange mit ihm.
Über die Sterne, über Magie, über die Freiheit, die man schmecken kann, wenn man sie einmal gekostet hat.
Damien erzählte von den Bergen, die den Drachenhort umgaben, von den Nebeln, die nur ihre Augen durchdringen konnten, und von den alten Prüfungen, die einst die Seelen der Drachen banden.
Lillith hörte zu, atemlos, wie ein Kind, das die Welt zum ersten Mal versteht.

Als die Sonne über den Horizont kroch, musste sie zurück.
Damien begleitete sie ein Stück, blieb dann aber stehen.

„Du wirst wiederkommen, oder?“ fragte er unverblümt.

Lillith lächelte schwach. „Ich weiß es nicht.“

„Doch“, sagte er ruhig. „Man sieht es in deinen Augen.“

Sie ging, aber jeder Schritt zurück zum Anwesen fühlte sich schwerer an als der vorherige.
Als sie ihr Zimmer erreichte, legte sie sich ins Bett und starrte an die Decke.
In ihrem Kopf hallten seine Worte nach – und in ihrem Herzen das Gefühl, endlich jemandem begegnet zu sein, der sie nicht an Regeln erinnert.

Jede Stunde im Haus fühlte sich enger an, jede Regel lauter, jede Stille bedrückender. Doch immer mehr Nächte schlich sie sich hinaus. Sie lernte die Welt immer mehr kennen und verstehen. Zwischen Damien und Lilith begann eine tiefe Freundschaft zu erblühen. Damien zeigte Lilith weitere Orte in der Nähe. Selbst einige kleinere Dörfer konnte sie sehen. Jedoch nur aus der Ferne. Da sie selbst noch zu unsicher war ob sie näher ran gehen will. Damien drängte sie deswegen auch nicht. Sondern akzeptierte es. Die Abschiede wurden schwerer und die Zeit noch erdrückender. Einige male wurde sie auch erwischt und dementsprechend gemaßregelt und bestraft. Einige Strafen zogen sich über mehrere Wochen. Dennoch entschied sie sich immer wieder die Außenwelt aufzusuchen.