Diese Stunde brachte mich in ein Dilemma; einerseits sollte ich mich den „Guten“ anschließen, denn mein Wunsch war es eines Tages eine Hexenwache, ja vielleicht sogar eine Skaturi Hexe, zu werden und für Recht und Ordnung zu sorgen. Andererseits wäre es interessant einen Tag aus der Sicht eines „Bösen“ zu erleben, um mich besser in deren Gefühle und Gedankenwege zu versetzen.
Schlussendlich entschied ich mich doch für die gute Seite.
Die beiden Teams wurden aufgeteilt und Professorin Elvina gab den Startschuss an. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken sprintete ich in die Schulgänge und machte mich auf die Suche nach den Zaubertränken. Es war ein einziges Chaos: aus dem Raum für den Musikunterricht blitzte plötzlich ein grelles Licht auf und ein Rauchschwall breitete sich in die Flure aus, gefolgt von Gelächter und Mitschülerinnen aus dem Team der „Guten“, die hustend hinaus flohen. Draußen wucherten plötzlich breite Ranken im Schulgarten am Fenster entlang und ich sah eine Schülerin von den „Bösen“, die sich daran festhielt und in der anderen Hand spottend das Zaubertrankgefäß wie eine Trophäe präsentierte.
Den Handwerksraum hatte es wohl auch erwischt. Kreischend rannten meine Mitschülerinnen hinaus, weil sie von wild gewordenem Werkzeug gejagt wurden, das zum Leben gezaubert worden war.
Ein Großteil der „Guten“ versammelte sich im Übungsraum der Akademie und wir besprachen unsere Vorgehensweise. Aufteilen war keine Chance, wir mussten in der Gruppe handeln. Somit schmiedeten wir einen Plan nach dem anderen, um dem ganzen Schabernack ein Ende zu setzen.
Ein kräftiger Windzauber im Musikzimmer sollte den Rauch entfernen und meine Melodiemagie übernahm die Kontrolle über einige der Instrumente, um die „Bösen“ in eine Ecke einzusperren und deren Fläschchen dingfest zu machen. Ein weiterer Ätherzauber einer Mitschülerin kümmerte sich um die ausgebüchsten Werkzeuge und auch dort sicherten wir den Zaubertrank in Null Komma Nichts!
Als letztes peilten wir den nun überwucherten Schulgarten an. Zum Glück hatte unser Team Fachhexen in Sachen Blumenmagie, die es in sich hatten. Sie übernahmen die Macht über die Ranken und ließen sie langsam wieder in die Erde hinabsinken, ganz zum Entsetzen des Bösewichtes. Doch kurz bevor dieser fast wieder Boden unter den Füßen hatte zauberte er plötzlich eine Wolke herbei, die sofort in Strömen zu regnen begann und uns nicht nur erschreckte, sondern auch von oben bis unten durchnässte. Einige meiner Teammitglieder schrieen vor Schreck auf, andere wiederum rutschten auf dem nassen Erdboden aus und landeten unsanft im Dreck. Ich, die sich verzweifelt das pitschnasse Haar aus dem Gesicht hielt, konnte nur noch verschwommen durch den Regenschwall sehen, wie unser Widersacher davonrannte.
Verbissen und entschlossen sie sozusagen hinter Gittern zu bringen sprintete ich los und hob meinen Zauberstab in die Luft. Ich rief einen hastigen Zauberspruch aus, woraufhin sich magisch leuchtende Notenlinien um die Spitze meines Stabes wanden. Wie eine Art Lasso schwang ich diese in die Richtung der „Bösen“ und sie umwickelten gezielt das Zaubertrankfläschchen, um es mit einer gekonnten Bewegung zurück zu mir ziehen zu können.
„I-ich hab’s!!“, rief ich erleichtert aus und blieb abrupt stehen. Ich grinste über beide Wangen hinweg, mein Haar immernoch nass in meinem Gesicht klebend. Anschließend drehte ich mich zu meinen Mitschülerinnen um, die schmutzig und durchnässt versucht hatten hinterherzukommen, und hob das Gefäß in die Luft.
Damit hatten wir es geschafft: Alle 3 Zaubertränke waren sichergestellt.