Im Haus Micantia herrschte immer Stille.
Keine Stille der Ruhe sondern die kalte, unnachgiebige Stille, die entsteht, wenn niemand wagt zu atmen, ohne Erlaubnis.
Die Mauern bestanden aus schwarzem Stein, so glatt poliert, dass selbst das Licht der Kerzen darin gefangen schien. Zwischen den Fluren hing der Geruch von altem Wachs und Eisen. Jeder Schritt hallte nach, begleitet vom leisen Rascheln langer Gewänder und dem Flüstern uralter Gebote.
Lillith ist eines der Kinder des Hauses, jedoch wir sie schon früh an die Regeln der Traditionen gebunden. So was wie eine Kindheit gibt es für das Haus nicht. Schon als kleines Mädchen lernte sie, still zu sitzen, zu lauschen, zu gehorchen. Alles in ihrem Leben war eine Regel, jedes Lächeln musste gemessen, jedes Wort gewogen sein.
Die Familie Micantia galt als eines der ältesten Häuser der Vampirlinien die sehr stolz auf ihre Reinheit sind, makellos in ihrer Ordnung, gefürchtet in ihrer Strenge.
„Tradition ist das einzige, was richtig ist.“
Dieser Satz war das erste, was jedes Kind im Haus lernte.
„Gefühle sind eine Schwäche.“
Der zweite.
Und „Niemand verlässt das Anwesen.“
Der letzte und wichtigste.
Die Ältesten predigten, dass Reinheit und Kontrolle die wahre Stärke eines Vampirs seien. Magie war kein Geschenk, sondern ein Werkzeug. Freude war Ablenkung, Liebe eine Gefahr.
Und Lillith fragte sich immer ob das alles ist für ihr leben. Den sie interessierte sich bereits jetzt für das was hinter den Mauern lauerte. Aber sie wollte nie jemanden auffallen, oder gar die Ältesten und ihre Eltern enttäuschen. Dadurch versuchte sie diese Welt nur in ihren Träumen zu fantasieren.
An einem dieser endlosen Tage saß sie mit ihren Schwestern in der Halle der Erziehung. Die Älteste dozierte über die Geschichte der Blutlinien, ihre Stimme trocken wie der Staub in den Regalen.
Lillith hörte kaum zu. Ihr Blick glitt immer wieder zu dem Fenster, das halb geöffnet war. Ein kühler Wind strich herein, trug den Geruch von Erde und Nacht mit sich.
Ihre Schwester Serine stupste sie an.
„Träumst du schon wieder?“ flüsterte sie mit missbilligendem Blick. „Du wirst dich nie fügen.“
Lillith lächelte schwach. „Vielleicht sollte ich das auch nicht.“
Serine verzog das Gesicht. „Du sprichst wie jemand, der vergessen hat, wer er ist.“
„Oder wie jemand, der endlich herausfinden will, wer er sein könnte.“
Es war das erste Mal, dass Lillith ihre Gedanken laut aussprach und vielleicht der Moment, in dem sich ihr Schicksal zu bewegen begann.
Als die Nacht hereinbrach, saß sie allein an ihrem Fenster.
Der Mond schien blass über die Wipfel des Waldes, der das Anwesen umgab. Sie hatte nie wirklich darauf geachtet, wie schön die Welt jenseits der Mauern war, weil man ihr beigebracht hatte, dass sie gefährlich sei.
Doch an diesem Abend spürte sie etwas anderes.
Ein Flimmern in der Brust, ein unruhiges Ziehen, das sich wie Magie anfühlte. Es schmerzte und verlangte das Sie sich nach draußen wagen soll. Es fühlte sich beinahe so an als würde der Mond sie rufen. Woraufhin Lillith anfängt in Richtung Mond zu reden.
„Was ist da draußen?“ flüsterte sie leise.
Niemand antwortete. Doch das Gefühl blieb, so wie der starke drang raus zu gehen oder besser gesagt direkt aus dem Fenster zu springen. Was jedoch nicht gut wäre, den das Anwesen ist fast vollständig an allen Fenster und Türen mit einen Magischen Siegel versehen. Was es sehr auffällig machen würde einfach raus zu klettern.
In dieser Nacht konnte Lillith nicht schlafen.
Jede Stunde wurde die Sehnsucht stärker. Irgendwann stand sie auf, öffnete die Tür und schlich barfuß durch die Gänge. Die Kerzen flackerten leicht, als spürten sie ihre Entscheidung. Sie kannte die Patrouillen, die Zeiten, in denen die Diener die Hallen reinigten. Niemand achtete auf sie. Niemand vermutete, dass jemand aus dem Haus Micantia die Dunkelheit suchte.
Durch einen reinen Zufall spürte sie einen versteckte Vertiefung in der Wand. Als sie dagegen drückte öffnete sich eine kleine Mauer, es wirkt als sollte das ein heimlicher Fluchtpfad für Notfälle sein. Doch die Bewohner haben ihn wohl vergessen. Denn hier ist alles mit Staub und Spinnweben übersehen. Vorsichtig und neugierig zugleich folgt Lilltih den Gang. Sie hat sich eine kleinen Lichtkugel beschworen die nur dumpf Licht abgibt damit niemand etwas Wahrnehmen kann. Denn Vampire fühlen Magie.
Draußen war es kälter, als sie erwartet hatte.
Der Wind schmeckte nach Regen und Moos, die Luft nach Freiheit. Zum ersten Mal sah sie die Sterne ohne einer Glasscheibe getrübt durch Magie, sondern offen und klar.
Sie zögerte, drehte sich noch einmal um. Das Anwesen stand hinter ihr wie ein schwarzer Dorn in der Nacht.
Dann machte sie den ersten Schritt in den Wald.
Die Erde war weich unter ihren Füßen, das Rascheln der Blätter klang fremd und doch vertraut. Überall war Bewegung von Insekten, Eulen, das ferne Heulen eines Tieres.
Lilliths Herz raste, aber nicht vor Angst. Zum ersten Mal fühlte sie sich lebendig.
Je weiter sie ging, desto stärker wurde die Magie in der Luft.
Manchmal flackerte ein Licht zwischen den Bäumen schwach, golden, wie ein ferner Funke.
Sie blieb stehen, blinzelte, doch es verschwand.
„Ein Irrlicht?“, flüsterte sie.
Aber tief in ihr spürte sie, dass es etwas anderes war. Etwas, das sie rief.
Sie blieb bis kurz vor Morgengrauen draußen, ehe sie heimlich zurückkehrte.
Niemand hatte ihr Fehlen bemerkt. Doch als sie wieder in ihrem Zimmer stand, wusste sie: Etwas war geschehen.
Die Stille des Hauses war dieselbe wie immer und doch war sie nicht mehr dieselbe wie zuvor.
In den folgenden Nächten schlich sie wieder hinaus. Immer weiter, immer tiefer in den Wald hinein. Sie begann, kleine Skizzen von Pflanzen und Sternen zu machen, die sie draußen sah. Ihre Magie pulsierte stärker mit jeder Nacht, als würde die Welt selbst ihr zuflüstern: Da draußen wartet mehr auf dich.















