Professorin Rosellas Worte hallten noch deutlich in meinem Kopf wider: die Glühwürmchen waren fort, angelockt von einem fremdartigen Duft und verstreut in alle Himmelsrichtungen. Ohne sie würde das Elfenbeerenfest im Dunkeln liegen und die festliche Stimmung wäre getrübt.
„Jinx, wir müssen uns etwas einfallen lassen!“, murmelte ich meiner Elfe zu, die sorgenvoll auf meiner Schulter saß und nachdenklich ihre zarten Flügel bewegte.
„Ja, aber wie finden wir die kleinen Wesen nur?“, piepste sie nachdenklich zurück und strich sich über ihr glitzerndes Haar.
Ich lächelte beruhigend und erinnerte mich plötzlich an die vergangene Musikprüfung. Damals hatte ich mit meiner Stimme einen melodischen Kompass erschaffen, der mir zuverlässig den Weg zur Bibliothek gezeigt hatte. Wenn er damals schon so gut funktioniert hatte, wieso sollte er uns jetzt nicht helfen?
„Ich weiß, wie wir anfangen können!“, rief ich begeistert aus und zog Jinx aufgeregt mit mir nach draußen, wo wir zwischen den Rosenbüschen und Fliedersträuchern des Akademiegartens standen. Ich stellte mich ruhig hin und ließ meinen Herzschlag langsamer werden. Meine Augen schlossen sich, während ich tief Luft holte. Dann ließ ich meine Stimme sacht und klar erklingen:
„Wind und Stimme, Ton und Klang,
Leitet mich den Weg entlang.
Direkt zu den fliegendem Lichterspiel,
Gemeinsam finden wir zum Ziel!
Infini vague a l’ame!“
Ein warmes, leichtes Vibrieren durchströmte meine Fingerspitzen, und zwischen meinen Händen formte sich erneut diese kleine, bezaubernd funkelnde Klangkugel. Sie schwebte anmutig vor uns, summte leise eine liebliche Melodie und wartete geduldig.
„Zeig uns, wo die Glühwürmchen sind“, bat ich sanft und öffnete vorsichtig die Hände. Sofort begann die Kugel zu summen und tanzte spielerisch in der Luft voran. Rasch folgten wir ihrem Licht durch die Gärten, vorbei an zarten Blumenfeldern und leise rauschenden Bächen. Überall war es still, friedlich und ein wenig magisch, als ob die Natur selbst gespannt die Luft anhielt, während wir uns auf die Suche machten.
Es dauerte nicht lange, bis wir an einem kleinen, moosbewachsenen Hügel ankamen. Unsere Klangkugel kreiste langsam in der Luft, und ich wusste, dass die Glühwürmchen hier irgendwo ganz nah sein mussten. Doch von ihnen fehlte jede Spur. Nur die Stille umgab uns.
„Wir müssen sie irgendwie locken“, meinte Jinx ratlos und setzte sich auf meine Schulter zurück. „Wie schaffen wir das nur, Nyx?“
Ich ließ meinen Blick schweifen und betrachtete die vielen wunderschönen Blumen um uns herum. „Vielleicht könnte ich sie in Blütenlaternen locken. Was meinst du? Du könntest mir dabei helfen!“
Die Augen meiner Elfe begannen freudig zu strahlen. „Ja, das klingt perfekt! Wir zaubern die schönsten und größten Blüten direkt hierher!“
Ich nickte lächelnd und hob entschlossen meinen Zauberstab, während Jinx eifrig neben mir ihre kleinen Händchen erhob. Gemeinsam konzentrierten wir unsere Kräfte und ließen unsere Magie in perfektem Einklang fließen. Meine Stimme war klar und voller Vorfreude, als ich den Zauberspruch aussprach:
„Knospentanz und Blütenpracht,
Erblüht im Glanz der milden Nacht.
Hört den Ruf in meinem Wort,
Kommt geschwind an diesen Ort!
Infini vague a l’ame!“
Unsere Magie verband sich in harmonischer Einheit, floss warm durch uns hindurch und strömte hinaus auf die kleine Lichtung. Vor unseren Augen erschienen prächtige, wundersame Blumen, die sofort begannen, in atemberaubender Geschwindigkeit zu wachsen. Ihre Stiele rankten sich liebevoll und elegant empor, ihre Knospen öffneten sich sacht zu mächtigen Blütenkelchen, die von einer natürlichen Anmut und leuchtenden Farbenpracht erfüllt waren.
Zufrieden betrachtete Jinx ihr Werk und flog glücklich um die Blüten herum, strich mit ihren winzigen Händen sanft über jede einzelne Blume, um ihre Kelche noch weiter zu öffnen und ihnen jenen lieblichen, süßen Duft zu entlocken, der die Glühwürmchen so magisch anziehen würde. Gemeinsam arrangierten wir die wunderschönen Blüten zu anmutigen Laternen, die nun bereit waren, unseren kleinen geflügelten Freunden den Weg nach Hause zu zeigen. Dann erhob ich erneut meinen Zauberstab und begann mit ruhiger, klarer Stimme zu zaubern:
„Im Geheimnis dieser Nacht,
Blütenlicht sei nun entfacht.
Glühend soll sie uns nun leiten,
In der Dunkelheit begleiten!
Infini vague a l’ame!“
Sofort begannen die Laternen wunderschön zu leuchten. Wie kleine Sterne, die vom Himmel gefallen waren, strahlten die Blütenkelche nun in allen Farben, hüllten uns in ein traumhaftes, märchenhaftes Licht. Sanft und beruhigend pulsierten sie im Rhythmus meiner Stimme. Es dauerte nicht lange, bis die ersten kleinen Glühwürmchen vorsichtig aus ihren Verstecken hervor kamen.
Sie schienen neugierig, tanzten zaghaft in die Höhe und begannen langsam und bezaubert auf die funkelnden Blütenlaternen zuzuschweben. Ihre zarten Flügel glitzerten silbern und golden im Licht meiner Magie, und bald wurden es immer mehr und mehr.
Staunend beobachteten Jinx und ich das Schauspiel. Die Glühwürmchen sammelten sich in den Laternen, tauchten in deren sanften Schein ein und ruhten friedlich darin aus. Sie schienen glücklich und geborgen. Ich spürte, wie mein Herz leichter wurde, und Jinx begann fröhlich auf meiner Schulter zu tanzen.
„Wir haben es geschafft, Nyx!“, rief sie begeistert. „Sieh nur, wie schön sie alle zusammen leuchten!“
„Wirklich wie ein zauberhafter Laternenlauf“, flüsterte ich glücklich, während wir langsam und vorsichtig die Laternen aufhoben, um sie zum Elfenbeerenfest zurückzubringen. Die Glühwürmchen schienen zufrieden und summten vergnügt mit, als ich erneut meine Stimme erhob, um unseren Heimweg melodisch zu begleiten und die Glühwürmchen zu beruhigen:
„Folgt mir nun mit warmem Licht,
Das Dunkel stört uns heute nicht.
Singet leis in sanfter Ruh,
Glühwürmlein, schließt die Augen zu.
Infini vague a l’ame!“
Wie in einem zauberhaften Märchen gingen wir langsam und behutsam den Weg zurück zur Akademie, geleitet von den sanften Klängen meiner Stimme und den wunderschönen, farbenfrohen Lichtern der Blütenlaternen, die uns und unseren kleinen geflügelten Freunden den Weg wiesen.
Als wir ankamen, begrüßte uns Tori voller Freude, und auch Professorin Rosella sah uns stolz und zufrieden an. Die Elfen applaudierten begeistert und begannen, die Laternen sorgsam aufzuhängen, um das Festgelände mit ihrem magischen, warmen Licht zu erfüllen.
Ich stand erleichtert da, Jinx an meiner Seite, und wir bewunderten gemeinsam, wie die Nacht langsam einbrach, und das Elfenbeerenfest endlich starten konnte; in genau dem Licht, das es verdiente.